Wie auch immer, es geht ums Fasten. Der gläubige Muslim darf im Ramazan einen Monat lang nur Nahrung und Flüssigkeit zu sich nehmen bevor die Sonne auf- und nachdem sie untergegangen ist.
Dafür gibt es dann einen speziellen Kalender, auf dem die „offiziellen“ Uhrzeiten, also wann die Sonne auf- und wieder untergeht, vermerkt sind. Ob die persönliche Uhr richtig geht kontrolliert anscheinend jeder selbst. Jedem seine eigene Richtzeit.
Selbstverständlich zieren die Fastenbrechzeitkalender Werbung für Brot, Fleisch und Putzmittel. Man kann schließlich auch mit dem Fasten Geld verdienen.
Als untrügliches Zeichen dafür, dass es dann mit dem Tagesfasten vorbei ist, kann aber der Ruf des Muezzins von der Moschee verstanden werden. Spätestens wenn der Ruf aus den alten und scheppernden Boxen über das ganze Viertel ertönt, darf man reinhauen was das Zeug hält. Der erhebende Eindruck wird jedoch nicht wirklich dadurch verstärkt, dass anscheinend auch bei den Muezzins die Uhren nicht alle gleich ticken. Da darf der gläubige in Moschee A theoretisch schon vor dem Gläubigen in Moschee B das Fasten brechen. Schicken doch die Moscheen ihre frohe Kunde nicht wirklich synchron über den Viertelsäther.
Vorausgesetzt natürlich, dass man überhaupt einen Monat nach den Regeln des Ramazans lebt. In Istanbul gibt es genug Türken, die sich nicht aktiv am Ramazan beteiligen. Auch nicht passiv. Vorstellungen von leeren Geschäften und Problemen bei der Nahrungsbeschaffung sind zumindest in Taksim, sehr westlich alles hier, völlig unvorstellbar. Unterwürfe man sich wirklich hundertprozentig den Regeln des Ramazan, wäre selbstverständlich auch das Rauchen und der Alkoholkonsum verboten. In der rauchenden Türkei könnte sich das fast zu einem Volkswirtschaftlichen Problem auswachsen. So gibt es doch auch Menschen, die sich das Warten auf den Untergang der Sonne wenigstens mit Zigaretten zu verkürzen versuchen
Und doch merkt man eine gewisse Veränderung im alltäglichen Leben. Die Restaurants sind tagsüber merklich leerer, das Hupen der Taxifahrer wird von Stunde zu Stunde grundloser, und gerade gegen Abend tauchen mehr und mehr Menschen auf den Strassen auf, die gemeinsam auf etwas zu warten scheinen.
Der Moment auf den dann doch einige Menschen warten, birgt schlussendlich eine ganz eigene Ruhe in sich. Aus den Häusern strömt der Geruch von Köfte und gebratenem Gemüse, Lokale, in denen man, wenn überhaupt die nicht vorhandenen Alkoholiker vermuten würde, sind bis auf den letzten Platz gefüllt, das Leben verlagert sich in Gruppen um große Tische und sogar der Autoverkehr nimmt ab. Alles für den Augenblick, an dem endlich wieder Nahrung und vor allem auch Flüssigkeit zu sich genommen werden darf.
Der Außenstehenden bemerkt nach ein paar Tagen allerdings auch noch ein ganz anderes Phänomen: Es herrscht eine untypische Ruhe. Istanbul, eine Stadt, in der die Menschen auf der Straße „leben“, in der es einen irrsinnigen Verkehr gibt und in der ständig die Luft von einem lauten Schrei, Gebet oder Gebell zerschnitten wird, ist für 5 bis 10 Minuten ruhig. Gespräche verstummen, gelacht wird mit vollem Mund, der Taxifahrer macht Pause und für eine kurze Zeit kehrt Stille ein.
Bis der erste Hunger gestillt, die Pause vorbei oder der Tourist zahlen möchte. Er hat ja schon fertig gegessen.
PS: Die bei uns als "türkisches Fladenbrot" bekannte Backware gibt es hier nur einen Monat lang: Während des Ramadan. Deshalb heisst es dann auch Ramazan Pidesi und ist ein Verkaufsschlager in jeder Pastanesi (Bäckerei)PPS: Am 12.10, also Donnerstag ist das Fasten dann vorbei. Dann gibt es einen gesetzlichen Feiertag und ein Wochenende wird gegessen.
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