Donnerstag, 25. Oktober 2007

Emlak

emlak=Makler
In Istanbul gibt es wahrscheinlich tausende emlaks. Und wie es der Zufall so will, habe auch ich inzwischen ein paar kennen gelernt. Bedingt durch die weiterhin bescheidene Wohnungssituation reifete in meinem Kopf der Plan nun schluss endlich eine eigene Wohnung zu finden bzw. zu suchen.
Nachdem alle Bekannten mehr oder weniger vergeblich nach irgendwelchen Arkasdaslar (Freunde) befragt wurden, hieß es dann letzte Woche zum erstenmal: Große Emlaktour durch Istanbul. Alleine ist das nicht ganz so spaßig und alleine will ich ja auch nicht wohnen, also zogen Matthias und ich gemeinsame los.
Freitag wurden die diversen emlaks in Cihangir/Taksim abgegrast. Da kam aber nicht viel bei rum. Begründung ist ziemlich einfach: Das von uns gesetzte Budget ist doch ein bisschen zu gering, um was nettes zu finden. Ausser ein paar arg renovierungsbedürftigen Behausungen wurden uns diversen Kellerwohnungen angeboten: Depressionen vorprogrammiert.
Nun denn gestern dann der zweite Versuch. Dieses mal in Besiktas. Ist auch in der Nähe, etwas "normaler" und im Ergebnis auch ein bisschen billiger. Eine nette Wohnung steht im näheren Fokus. Entscheidung dann spätestens Montag.
Viel spannender als die Wohnungen waren aber die so genannten Emlaks selbst: Um sich zum Emalk aufzuschwingen bedarf es in der Türkei wohl nicht viel, ausser ein paar Bekanntschaften und ein bisschen Startkapital. Und so unterschiedlich die angebotenen Wohnungen, so unterschiedlich sind auch die Emlaks: Vom groß aufgezogenen chici-micki Büro bis zum 4 qm Holzverschlag ist alles dabei.
Emlak ist auch kein rein männliches Businnes: Die erste Emlakin hatte wohl aber einen seltsamen Spiegel in ihrem eigenen Heim: Ihre Kleidung und ihr Auftreten standen leider im krassen Gegensatz zu ihrem Alter... Das ging aber noch. So was kennt man ja auch aus der Heimat: Zu viel Make-up, Schokobräune im Regen, wasserstoffblondes Haar, zwei Nummern zu enge Jeans...
In diesem Falle beschränkte sich unsere "Kommunikation" auch wieder auf das wesentliche:
- "Merhaba, Daire (Wohnung), iki Oda ve bir salonu (zwei Zimmer und ein Wohnzimmer)... lütfen!"
- "..."
- "ähh var mi?"(gibt es das?"
- "Evet (ja)! Para? Maximum?"
- "Ahh... Dokuz yüz!" (900 YTL)
- "Dokuz yüz ?"
- "Evet"
Einen Zettel nehmen und 900 aufschreiben, zu uns rüber schieben und fragend gucken.
- "Evet"
- "Tamam" (Okay)
- "Görmek ?" (Sehen, ansehen)
na und dann heisst es dem Emlak wie ein kleines Kind hinterherlaufen und hoffen, dass was nettes bei rum kommt. Auf dem Weg wird dann meist wenig gesprochen.
Das ändert sich nur, wenn man auf einen fußballinteressierten Emalk trifft:
... auf dem Weg zur Wohnung...
- "Futbol?"
- "Evet"
- "Ben, Fenerbace!"
- "Ahh..."
- "Sen... äh you?"
- "Weder Bremen" (Matthias)
- "Ahhhh Wärdär Brämen"
- "1.Fc Köln!" (Johannes)
- "Ahhhh... ?!"
- "Christoph Daum, Ümit Özad Köln´de oyunuyor!"
- "Evet, evet, Ümit Özad cok güzel, cok güzel. Toni Schumacher o de Fenerbace!"
- "Evet Toni Schuhmacher, cok güzel. Köln´de!"
- "hmmm..."
und dann kommt hoffentlich schnell die WOhnung.
Weil die Emlaks zum Teil auch unter einer Decke stecken kommt schonmal vor, dass man sich Sachen zweimal anguckt, aber man ist ja höflich und zeigt erneut ein reges Interesse...
Gestern der 12te Emlak: "Merhaba...." Nach drei Minuten fragt er, ob wir Deutsche seine: "Evet". Wie sich herauststellte, konnte der Mann echt gut Deutsch. Fast vollständig Akzent frei und sicher im Gebrauch: Hatte seine Magisterarbeit in Deutschland geschrieben: Deutsche Kinderliteratur! Im Bücherregal hinter ihm standen dann auch Erich Kästner und seine Freunde aus der Kinderzeit... Das man damit in der Türkei wohl nur Emlak werden kann, ist ihm anscheinend nichtr klar gewesen...
Den Vogel abgeschossen hat dann aber Hüseyin: Er hat acht Jahre lang in Augsburg gearbeitet: Drei auf dem Bau, fünf in ner Diskothek. Sein Deutsch war dann auch dem entsprechend etwas anders, als dass vom Kinderbuchstudent.
Wir kamen dann aber doch noch ins Gespräch. Irgendwann klingelt sein Handy. Er telefoniert. Er legt auf: "Frau!", grinsen. Wir: dümmliches grinsen zurück. Er: "Nicht Ehefrau" breiteres Grinsen, wir: sehr breiztes grinsen.
Er: "Rumänien!".
Wir: "Aha".
H: "Mädchen für neben her!"
W: "aha"
H: "Ihr Mann gleich weg, Ich eine Stunde frei..." Lachen (Wir und er auch)
H: "Ich hab noch eine!"
W: "Wie noch eine?"
H: "Aus Moldawien!"
H:"Aber nehmt keine türkischen Mädchen. Die sind immer so eifersüchtig...!"
W: "danke"
....

Freitag, 19. Oktober 2007

Türkei – Griechenland 0:1

„Türkiye, Türkiye!“

Ungefähr 80 Minuten.

„Terim luzifer!“

gabs die letzten 10 Minuten plus minus eine halbe Stunde.

Und wer war schuld? Mal wieder die Griechen. Kommen einfach mit König Rehakles nach Istanbul und dann gewinnen sie auch noch. Das war aber wirklich nicht schwierig gegen streckenweise beängstigend schwache Türken. Ich dachte ja dass der gute alte Hakan Sükür doch noch ein Glückstor provoziert, aber selbst das hat nicht geklappt. Auch die Nummer 9 der Türken blieb weitestgehend wirkungslos.

Nachdem ich mir das Stadtderby beim letzten mal noch vor dem Fernseher angesehen hatte, wurde es dieses mal ernst: Ab ins Stadion. Mit uns noch ein paar tausend weitere Menschen. Wohl aber weniger als man denken könnte. Warum man das Stadion von Galatasaray, also das kleinste in Istanbul (?!) wählte, bleibt ein Geheimnis des Türkischen Fußballbundes. Das Gerücht, dass dadurch eine intimere oder intensivere Stimmung hergestellt werden sollte Kann man zumindest bezweifeln: Wenn man aus den 22.000 verrückten Zuschauern einfach 40.000 gemacht hätte, wäre das wohl kaum ein Nachteil gewesen. Wie auch immer genützt hats nix.

Vor dem Spiel wurde sich natürlich erstmal schön mit Fanartikeln eingedeckt. Für mich gabs den „Türkiye, Pride of World“-Schal. Der Produzent des Schals wollte, durfte oder konnte dem kleinen „of“ anscheinen keine Bedeutung schenken. Trotzdem, 5 YTL waren ein absoluter Kampfpreis. Und das ohne große Verhandlungen.

Nachdem man die Einlasskontrollen passiert hatte dann noch für jeden eine Gratistürkeifahne. Ein Traum. Oder auch eine kleine Entschädigung: Aufgrund von „Vorkommnissen“ werden alle Besucher am Eingang kontrolliert: Feuerzeuge, Wurfgegenstände aller Art und somit auch das Kleingeld werden konfisziert. Egal, Hauptsache Fahne und dann schnell Sitzplätze reserviert: Die Organisatorin (!) unseres kleinen Fußballausflugs wollte dabei auf Nummer sicher gehen und hatte um ein recht vorzeitiges Erscheinen gebeten: Tat der Stimmung aber keinen Abbruch. Trotz noch fast leerem Stadion. Während des Spiels saß man natürlich nicht, aber sonst sieht man halt nix.

Als sich das Stadion gegen Anpfiff langsam gefüllt hatte kamen dann noch zwei freundliche Polis-Beys auf unsere Gruppe zu und suchten ein Gespräch: Wie sich herausstellte nicht ganz ohne Grund: Eines unserer Gruppenmitglieder sah nach ihren Vorstellung im gegenwärtigen Zustand doch zu griechisch aus… Trotz der Versicherung, dass wir Deutsche seien und seinem Hinweis, dass er während des Spiels hinter uns stehen würde, kam dann kurz ein komisches Gefühl auf…

Lösung: Natürlich die Fahne: Doppelt beflaggt versuchten wir nun noch intensiver unsere absolute Türkeiunterstützung auszudrücken. Hat funktioniert.

Wie sich herausstellte, war das alles aber gar nicht nötig. Sowohl während des Spiels, vor allem aber auch nachher gab es keine komischen Situationen oder große Randale. Bemerkenswert in dieser Hinsicht waren höchstens „meine“ bzw. später zum Glück „unsere“ Freunde Sinan und „keine Ahnung“. Mit verhältnismäßig gutem Englisch wurde das Standardfrageprogramm schnell beantwortet (Wer, was, warum, like Istanbul?, Hukuk(Recht)?...Ohhh.). Dann stellte sich heraus, dass beide als Flugbegleiter oder so etwas in die Richtung arbeiteten und nächste Woche nach Hamburg fliegen würden. Besonders Sinan konnte nach meinen doch noch recht verhaltenen Schilderungen St.Paulis (Nice,nice girls…yes, much, much girls…yes much, much party…) kaum noch an sich halten.

Nachdem also wider etwas für die Völkerverständigung getan war kam das Spiel: Das war unspektakulär und eher mau.

Trotzdem ein netter Abend, der selbstverständlich noch mit einem Efes beendet wurde – das gab es natürlich nicht im Stadion. Dafür aber Nüsse, Esskastanien, Sonnenblumenkerne, Pistazien, Tee, Sandwich und 20 verschiedene Sorten Zigaretten mittendrin. Natürlich.


auch die Polis-beys wollten sich das Spiel nciht entgehen lassen

Dienstag, 9. Oktober 2007

Fernsehen

und weils so schön ist heute gleich noch einen Text...
Diesmal gehts um das türkische Fernsehen.
Grundsätzlich kommt es doch sehr unterschiedlich daher.
Der kleine Mann leistet sich nur den "normalen" Antennenempfang, was dann bei TRT 1,2,3... und CNBC anfängt und auch schnell wieder aufhört.
Der "normale" türkische Haushalt kommt aber nicht ohne Digiturk aus. Das ist eine art pay-tv in Verbundung mit einer überdiemensionalen Satellitenschüssle. Die kann man dann auch selbstverständlich an jeder Ecke kaufen. Ist aber auch für türkische Verhältnisse relativ teuer.
Was das Digiturk im Monat kostet weiss ich nicht, so viel wie Premiere aber wohl nicht. Durch den im wahrsten Sinne des Wortes galaktischen Empfang mit dem Digiturkreceiver lassen sich dann problemlos 900 Kanäle empfangen.
So auch bei meiner Vermieterin. Kanal 70 ist dann ZDF, 517 Deutsche Welle TV, 523 ARD, 524 RTL II CH... auf die Tagesschau in guter Bild und Ton qualität müsste ich hier also theoretisch nicht verzichten. (Das alles weiss ich erst seit Sonntag, da hatte ich den Digiturkfernseher zum ersten Mal für mich allein...7 Stunden lang)
Was das türkische Fernsehprogramm dagegen ausspuckt ist in seiner Masse unüberschaubar, in seiner Qualität durchschnittlich aber irgendwo zwischen Super RTL und N24 anzusiedeln.
NAtürlich gibt es auch so genannte Wissenkanäle, aber auf denen läuft ganz N24like den ganzen Tag dasselbe.
Zur Ehrenrettung muss man aber sagen, dass es ein großes englischsprachiges Programm gibt. Alle bekannten amerikanischen Serien gibts dann im Original mit unsäglichen türkischen Untertiteln. Ist aber praktisch. So kann ich mit meiner Vermieterin zusammen vor der Mattscheibe sitzen: Ich höre zu, sie liest mit. Neueste Entdeckung: Mad Men, eine Werbefirma im New York der 50er Jahre.
Ansonsten besteht das Programm aus Soaps: Jeder Türke, der nicht völlig unterbelichtet ist müsste eigentlich in einer Soap mitspielen. Unvorstellbar wer das alles gucken soll.

Meine Vermieterin hat auch schon ihren Fernsehauftritt hinter sich. Ihr Sohn wurde letzte Woche für eine Dokumentation über seinen Chef interviewt.
Nurcan (Vermieterin) trat dann gestern als "Art-director" in Erscheinung: Ich stand in der Küche und plötzlich kam aus dem Wohnzimmer ein aufgeregtes:"Johannes. quik. come!"
auf einem der unzähligen Kanäle lief dann ein Videoclip einer türkischen Sängerinn, den Nurcan als Artdirector ins Leben gerufen hatte. Gedreht wurde das ganz ein Stockwerk unter unserer Wohnung, beim alten Herrn, der den ganzen Tag vor der Türe sitzt und "Merhabas" verteilt.
Herrlich: fast 80 Millionen Menschen im Lande, fast 15 in Istanbul und ich kenn schon die Leute im Fernsehen. Wenn das mal keine Karriere für einen Erasten ist.


wohnzimmer gibts leider noch nicht als foto. also mein bescheidenes zimmer als ersatz

Stille über Istanbul

Ramazan. Ramadan. In Deutschland kennt man es als Ramadan, hier nennt es sich Ramazan. Man sollte davon ausgehen, dass in Istanbul die Experten am Werk sind, also Ramazan.

Wie auch immer, es geht ums Fasten. Der gläubige Muslim darf im Ramazan einen Monat lang nur Nahrung und Flüssigkeit zu sich nehmen bevor die Sonne auf- und nachdem sie untergegangen ist.

Dafür gibt es dann einen speziellen Kalender, auf dem die „offiziellen“ Uhrzeiten, also wann die Sonne auf- und wieder untergeht, vermerkt sind. Ob die persönliche Uhr richtig geht kontrolliert anscheinend jeder selbst. Jedem seine eigene Richtzeit.

Selbstverständlich zieren die Fastenbrechzeitkalender Werbung für Brot, Fleisch und Putzmittel. Man kann schließlich auch mit dem Fasten Geld verdienen.

Als untrügliches Zeichen dafür, dass es dann mit dem Tagesfasten vorbei ist, kann aber der Ruf des Muezzins von der Moschee verstanden werden. Spätestens wenn der Ruf aus den alten und scheppernden Boxen über das ganze Viertel ertönt, darf man reinhauen was das Zeug hält. Der erhebende Eindruck wird jedoch nicht wirklich dadurch verstärkt, dass anscheinend auch bei den Muezzins die Uhren nicht alle gleich ticken. Da darf der gläubige in Moschee A theoretisch schon vor dem Gläubigen in Moschee B das Fasten brechen. Schicken doch die Moscheen ihre frohe Kunde nicht wirklich synchron über den Viertelsäther.

Vorausgesetzt natürlich, dass man überhaupt einen Monat nach den Regeln des Ramazans lebt. In Istanbul gibt es genug Türken, die sich nicht aktiv am Ramazan beteiligen. Auch nicht passiv. Vorstellungen von leeren Geschäften und Problemen bei der Nahrungsbeschaffung sind zumindest in Taksim, sehr westlich alles hier, völlig unvorstellbar. Unterwürfe man sich wirklich hundertprozentig den Regeln des Ramazan, wäre selbstverständlich auch das Rauchen und der Alkoholkonsum verboten. In der rauchenden Türkei könnte sich das fast zu einem Volkswirtschaftlichen Problem auswachsen. So gibt es doch auch Menschen, die sich das Warten auf den Untergang der Sonne wenigstens mit Zigaretten zu verkürzen versuchen

Und doch merkt man eine gewisse Veränderung im alltäglichen Leben. Die Restaurants sind tagsüber merklich leerer, das Hupen der Taxifahrer wird von Stunde zu Stunde grundloser, und gerade gegen Abend tauchen mehr und mehr Menschen auf den Strassen auf, die gemeinsam auf etwas zu warten scheinen.

Der Moment auf den dann doch einige Menschen warten, birgt schlussendlich eine ganz eigene Ruhe in sich. Aus den Häusern strömt der Geruch von Köfte und gebratenem Gemüse, Lokale, in denen man, wenn überhaupt die nicht vorhandenen Alkoholiker vermuten würde, sind bis auf den letzten Platz gefüllt, das Leben verlagert sich in Gruppen um große Tische und sogar der Autoverkehr nimmt ab. Alles für den Augenblick, an dem endlich wieder Nahrung und vor allem auch Flüssigkeit zu sich genommen werden darf.

Der Außenstehenden bemerkt nach ein paar Tagen allerdings auch noch ein ganz anderes Phänomen: Es herrscht eine untypische Ruhe. Istanbul, eine Stadt, in der die Menschen auf der Straße „leben“, in der es einen irrsinnigen Verkehr gibt und in der ständig die Luft von einem lauten Schrei, Gebet oder Gebell zerschnitten wird, ist für 5 bis 10 Minuten ruhig. Gespräche verstummen, gelacht wird mit vollem Mund, der Taxifahrer macht Pause und für eine kurze Zeit kehrt Stille ein.

Bis der erste Hunger gestillt, die Pause vorbei oder der Tourist zahlen möchte. Er hat ja schon fertig gegessen.

PS: Die bei uns als "türkisches Fladenbrot" bekannte Backware gibt es hier nur einen Monat lang: Während des Ramadan. Deshalb heisst es dann auch Ramazan Pidesi und ist ein Verkaufsschlager in jeder Pastanesi (Bäckerei)
PPS: Am 12.10, also Donnerstag ist das Fasten dann vorbei. Dann gibt es einen gesetzlichen Feiertag und ein Wochenende wird gegessen.